Welche theoretische, philosophische und ethische Basis liegt Ihrem Führungshandeln eigentlich zugrunde? Wovon gehen Sie aus? Wie stellen Sie sich eigentlich vor, dass Einflussnahme als Führender funktioniert? Was geschieht da genau?
Oft konnten wir in der Zusammenarbeit mit Führungskräften feststellen, dass derartige Fragen zunächst überhaupt nicht verstanden werden. Wenn man nach dem zugrunde liegenden Führungsverständnis fragt, schaut man in ungläubige, unverständige Gesichter, so nach dem Motto: „Was will der den jetzt?“. Oft erhalten wir dann Antworten wie: „Wir führen über Führungsinstrumente“ oder „Die Organisationsstruktur legt fest, wer was zu tun und zu lassen hat“. Unsere Erfahrung ist, dass sich Führungskräfte vor lauter „operativer Orientierung“ am Tagesgeschäft und vor lauter „Führungsinstrumentengläubigkeit“ die entscheidenden Fragen gar nicht stellen. Das würde nämlich auch bedeuten, dass man einem Stück Nicht-Wissen, einem Stück Unsicherheit begegnet:
„Ja, stimmt, ich weiß eigentlich gar nicht so genau, was der Kern des Führungsgeschäfts ist…“. Es ist immer wieder spannend, mit Managern gemeinsam unter dem Stichwort „Systemische Führung“ über ihr Führungsverständnis zu reflektieren – und das ist wörtlich gemeint: „Was verstehen Sie unter Führung?“; „Wie kommt es zu einer `führenden Wirkung`?“. Oft erhalten wir, durchaus auch von Verantwortlichen nicht nur auf den unteren Hierarchieebenen als Antwort: „Darüber habe ich noch nie nachgedacht!“
Warum regen wir als Systemischer Coach und Systemischer Organisationsberater des Öfteren zum Nachdenken über derartige Fragen an? Ganz einfach: Weil uns immer wieder Führungsverantwortliche begegnen, die über die Nichtwirkung Ihrer Führungsinterventionen klagen. Sie beschweren sich, dass die Führungsinstrumente (beispielsweise Zielvereinbarungsgespräche) nicht einheitlich und konsequent gelebt werden, oder dass beispielsweise bestimmte Termine, die von Oben gesetzt wurden, um bestimmte Daten von „unteren Hierarchieebenen“ zu erhalten, nicht eingehalten werden. In der Reflexion derartiger Problematiken kommen wir immer wieder an einen bestimmten Punkt: Die Führungskraft geht bislang unbewusst von der „Maschinenmetapher“ aus. Sie denkt, dass ein Unternehmen oder eine Organisationseinheit wie eine „nicht-triviale Maschine“ zu steuern sei. Sie nimmt unhinterfragt an, dass lineare Steuerung möglich ist. Man führt das Führungsinstrument der Zielvereinbarungsgespräche ein, und dann hat das „zu laufen“. Man setzt einen Termin und bis dahin ist in den Abteilungen alles darauf auszurichten, dass die Daten zeitgerecht zur Verfügung gestellt werden. Im Alltagsdenken rechnen die Manager nicht mit der Eigenlogik und der Selbstorganisation dessen, was sie steuern und sind dann verwundert, dass nicht genau das passiert, was beabsichtigt war.
Der Fehler liegt hier nicht im „falschen Führungshandeln“, sondern in den falschen bzw. nicht mehr zeitgemäßen Sichtweisen und Brillen der Führungskraft. Der Fehler liegt darin, dass auf der Basis eines nicht mehr brauchbaren Führungsverständnisses gehandelt wird, eines Führungsverständnisses, welches Komplexität ausklammert, anstatt nicht nur mit ihr zu rechnen, sondern sie zu nutzen! Vereinfacht könnte man sagen: Es ist sinnvoller, davon auszugehen, dass nicht genau das passiert, was beabsichtigt ist, anstatt davon auszugehen, dass immer das geschieht und 1:1 umgesetzt wird, was vorgegeben wird. Wenn ich als Führender davon ausgehe, dass nicht genau das „ins Leben kommen wird“, was ich mir vorstelle, tue ich mich einfach leichter. Es ist ein realitätsgerechtes Grundverständnis von Führung, welches die Selbstorganisation und Komplexität der Organisationsgeschehnisse einberechnet.
Dies bedeutet nicht, dass man nicht planen sollte, im Gegenteil: Auch im Bereich Systemische Führung und Systemische Personalentwicklung sind Führungsinterventionen genau zu überlegen und zu planen. Der Unterschied besteht darin, nicht mit der direkten Umsetzung zu rechnen, sondern zu wissen, dass ein Prozess zu managen ist: Ein Prozess, innerhalb dessen die Führungskraft immer wieder aufs Neue „nachjustieren“ kann, indem sie interveniert, abwartet was passiert, und auf dieser Grundlage wieder neu Akzente in die gewünschte Richtung setzt… Ein Feedbackprozess kommt in Gang, ein Regelkreis zwischen Führungsinterventionen und Systemreaktionen, und innerhalb dieses Geschehens fungiert der Manager als Steuernder des Prozesses.
Führungshandeln als Prozesssteuerung – dies erfordert spezifisches Wissen und Können. Die INSYS-Seminare (INSYS-Ausbildungswege) fokussieren auf das Erlernen von praktisch nutzbaren tools für den Führungsalltag.
Über die Ausbildung Systemisches Coaching vermitteln wir systemisches Denken und Handeln, welches Sie wirksam im Bereich Führung und Organisation einsetzen können. Mitarbeiterführung, Systemisches Projektmanagement, Prozesssteuerung, Kommunikationsgestaltung… Systemisches Know-how, vermittelt auf der Grundlage modernster Beratungs- und Coachingverfahren, ermöglicht Ihnen eine gute Navigation durch den Führungsalltag.
Lebende Systeme – der Manager hat es mit lebenden Systemen (Personen, Gruppen, Organisation) zu tun – zeichnen sich durch die grundlegende Fähigkeit zur Selbstorganisation aus. Dies bedeutet, dass ein System einer Eigenlogik gehorchend operiert, ohne dass diese Eigenlogik von außen absichtsvoll veränderbar wäre. Die momentane Struktur der Einheit legt ihr weiteres Potential fest und enthält somit eingrenzende als auch erweiternde Momente. Ferner bedeutet Selbstorganisation, dass die Einheit in der Lage ist, durch ihre interne Dynamik die eigenen Strukturen und Prozesse hervorzubringen und aufrechtzuerhalten. Zu beachten ist, dass zu führende Systeme (Personen, Gruppen, Organisation) zwar eine gewisse Umweltoffenheit aufweisen, jedoch auf der informationsbildenden Ebene intern geschlossen arbeiten.
Dies bedeutet, dass Informationen nicht von einer Führungskraft zu einem Adressaten von Führung übertragen werden können, sondern immer systemintern konstruiert werden: Die Botschaft eines Führers ist etwas anderes als das, was in einem Mitarbeiter oder bei einem Team als Botschaft ankommt oder besser: konstruiert wird. Denn Personen, Gruppen bzw. die Gesamtorganisation nehmen Umwelt immer nur gemäß den eigenen Strukturen wahr. Die Wahrnehmung der Umweltreize ist jedoch etwas völlig anderes als die Umweltreize selbst. Es gibt Zusammenhänge zwischen Außen und Innen, diese sind jedoch nicht berechenbar. Das macht zu führende Systeme relativ autonom gegenüber ihrer führenden Umwelt, weil Impulse von Außen auf ganz eigene und individuelle Art wahrgenommen und verarbeitet werden.
Die Adressatensysteme, auf welche man als Führungskraft einwirkt, sind durch eine Paradoxie gekennzeichnet: Sie sind einerseits autonom, andererseits jedoch kontextabhängig. Legt man einen Systeminnenblick an (d.h. versucht man, ein System aus seiner inneren Logik heraus zu beschreiben), so wird man aufgrund der intern permanent an sich selbst anschließenden Prozesse zu dem Schluss kommen, dass das System in der Art und Weise, wie es von außen kommende Informationen verarbeitet, autonom ist. Wird dagegen das Zusammenspiel zwischen System und Umwelt analysiert, so kann man Zusammenhänge zwischen bestimmten Umweltreizen (z.B. Interventionen des Leitenden) und bestimmten Systemreaktionen (z.B. Reaktionen des Mitarbeiters xy) feststellen, wobei diese Systemreaktionen wiederum nicht vorhergesagt und von außen „verstanden“ werden können. Sie können nur beobachtet werden.
Weil er in den Mitarbeiter nicht hineinschauen kann, bleibt dem Chef nur die Möglichkeit, aufgrund des spezifischen Zusammenspiels von Intervention und Reaktion seine Rückschlüsse auf die inneren Strukturen und Prozesse im Mitarbeitersystem zu ziehen. Systemanalysen von Führungskräften werden also immer konstrukthaft bleiben und nicht eine „objektive Realität“ abbilden. Das braucht es auch gar nicht. Vielmehr ist es wichtig, als Verantwortlicher mit möglichst vielen Brillen ausgestattet zu sein, um immer wieder aufs Neue Hypothesen für wahrscheinlich gute Interventionen bilden zu können und am Feedback der zu steuernden Systeme zu erkennen, ob es sinnvoll erscheint, mit seiner Steuerung eher so weiter zu machen oder neue Wege zu gehen. Hierzu müsste man dann bei sich selbst als Verantwortlichen einen „Brillenwechsel“ vornehmen.
Die moderne Führungskraft weiß, dass Führung keine Einbahnstraße, sondern eine „Zweibahnstraße“ ist. Sie weiß, dass Führung über das Medium der Kommunikation läuft. Und sie weiß, dass in menschlicher Kommunikation immer unterschiedliche Wirklichkeiten vorhanden sind: Jeder ist Konstrukteur seiner Realität. Das, was mit der Führungsbotschaft gemeint ist, ist noch lange nicht das, was ankommt bzw. bewirkt wird.
„Realität ergibt sich ... aus dem erkennenden Tun des Beobachters, der Unterscheidungen trifft und somit den Einheiten seiner Beobachtung Existenz verleiht. ... Realität erweist sich als ein Konzept. Allerdings brauchen wir nicht auf den Begriff zu verzichten, wenn wir ihn in Klammern schreiben. (Realität) – so geschrieben steht der Begriff für subjektgebundene Konstrukte, die, einmal mit anderen Menschen abgestimmt, den Charakter des Realen, das heißt, des von uns unabhängig Existierenden, bekommen (Maturana/Varela 1987: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des Erkennens. München, S. 13f).“
Wenn wir von subjektiven Wirklichkeiten, also von (Realitäten) in Klammern ausgehen, müssen wir uns in Bezug auf die Führungskompetenz folgende Fragen stellen:
Viele Manager gehen nach wie vor davon aus, dass Führung durch ein Besser-Wissen legitimiert wird oder werden muss. Sie gründen Ihre exponierte Position bewusst oder unbewusst auf ihrem Anspruch, fachlich allen Mitarbeitenden überlegen sein zu müssen. Doch wie kann man als Führungskraft etwas besser wissen, wenn die Realität, auf welche dieses Wissen bezogen ist, ein Konstrukt darstellt, welches jedes System anders kreiert?
Viele Manager gehen grundsätzlich davon aus, dass Verstehen und als Ergebnis davon gleiche Sichtweisen der Normalfall von Kommunikation ist. Doch wie kann man als Führungskraft verstehen, wenn man in den Mitarbeiter nicht hinein schauen kann, wenn man die gesamte Dynamik eines Teams nicht erfassen kann, wenn man die Komplexität der Organisationsprozesse so, aber auch anders beschreiben kann?
Viele Manager denken, dass sie als Führende distanziert und unabhängig sind von dem, was sie führen. Sie gehen davon aus, dass sie gleichsam als nicht zum System dazugehörig zu betrachten seien. Doch wie kann man verkennen, dass man als Chef Teil des Systems ist, welches man steuern will? Wie kann man seine Eingebundenheit und sein Beteiligt-Sein – insbesondere wenn es zu Problemen oder Konflikten kommt – verleugnen?
Wie kann man überhaupt absichtsvoll und damit professionell führen, wenn die Adressatensysteme Informationen (Interventionen) nur auf ihre eigene Art aufnehmen und verarbeiten können und dies wiederum zu Ergebnissen führt, die nicht planbar sind?
Nimmt man die Selbstorganisation von Systemen ernst, so bedeutet dies, dass man als Professioneller darauf verwiesen ist, von außen diese Selbstorganisation so mit Informationen, Reizen, Kontexten, Umgebungen und Interventionen zu versorgen, dass die Chance erhöht wird, dass sich das betreffende System in die gewünschte Richtung bewegt. Planbar ist allerdings ein solcher Prozess nicht. Er beschränkt sich auf Kontextsteuerung. Ferner ist eine Orientierung am Prozess wichtig, wobei man mit den Betreffenden gemeinsam (man steht nicht nur „darüber“ im Sinne der Distanzierung) einen Weg beschreitet, innerhalb dessen versucht wird, die Selbstorganisation gemeinschaftlich anzuregen, ja sogar die Selbstorganisation gemeinschaftlich zu sein.
In diesem Verständnis ist Führung eine Dienstleistung für die Funktionsfähigkeit der Organisation. Führung geht der Selbstorganisation der Mitarbeiter, der Abteilungen, Projektgruppen, der Organisationsprozesse zu Diensten. Die Handlungen von Führungskräften dienen der in einen sinnvollen Organisationszusammenhang gebrachten Entfaltungsmöglichkeit der Subsysteme des Unternehmens.
Die Weiterbildung Coaching bzw. die Weiterbildung Beratung bei INSYS ermöglicht es Ihnen als Führungsverantwortlichen, Ihre Kompetenz in diesem Sinne systemisch zu erweitern.